Das ROTE TUCH e.V. besucht die Gedenkstätten in der Lindenstraße und der Leistikowstraße in Potsdam

Auch 2019 hat der Verein DAS ROTE TUCH e.V.  einen  Besuch von Gedenkorten, diesmal in der Lindenstraße und der Leistikowstraße in Potsdam, angeboten. Fünfundzwanzig Leute stiegen am Samstag, 6.4. 2019  um 9 Uhr am Palais am Funkturm in den vom Verein gemieteten Bus.

Vormittags besuchten wir die Gedenkstätte Lindenstraße, in der die Geschichte politischer Verfolgung und Gewalt in den unterschiedlichen Diktaturen des 20.Jahrhunderts in Deutschland gezeigt wird. Dort haben Menschen gelitten, die während der NS-Diktatur, der sowjetischen Besatzungszeit und der SED-Diktatur aus politischen Gründen inhaftiert und verurteilt wurden.


In diesem barocken Palais in der Lindenstraße mitten im Holländerviertel von Potsdam befanden sich nacheinander ein Untersuchungsgefängnis der Nazis und gegen Ende des Krieges auch eine Außenstelle des „Volksgerichtshofs“, ein Gefängnis des sowjetischen Geheimdienstes  und schließlich das Untersuchungsgefängnis der Stasi im Bezirk Potsdam, von den Einheimischen auch mit bitterer Ironie „Lindenhotel“ genannt.

Hartmut Richter, Zeitzeuge und schon als Jugendlicher Regimegegner, wurde vom Verein „Das ROTE TUCH e.V.“ für die Führung engagiert. Er berichtete uns beim Rundgang über seine Erlebnisse in DDR-Haftanstalten. Nach seinem Freikauf durch die Bundesregierung hat er zahlreichen DDR-Bürgern zur Flucht verholfen.


Zeitzeuge Harmut Richter (rechts im Bild) führte uns durch das Stasi-Gefängnis. Auf diesem Bild zeigt er einen engen Hof von wenigen Quadratmetern Größe für den täglichen „Freigang“ der Häftlinge.
 

Anschließend brachte uns der Bus in die Leistikowstraße. Diese Gedenkstätte im ehemaligen „Haus der evangelischen Frauenhilfe“, das heute wieder  der Kirche gehört, befindet sich in der Nähe des Schlosses Cecilienhof , in dem im Juli 1945 die drei damals Mächtigsten der Welt über die Zukunft Deutschlands berieten. Unmittelbar danach beschlagnahmte der sowjetische KGB  das Haus der evangelischen Frauenhilfe und errichtete dort seine deutsche Zentrale und ein Untersuchungsgefängnis.

Für die KGB-Offiziere und ihre Angehörigen mussten  auch Potsdamer aus der Nachbarschaft 1945  innerhalb weniger Stunden ihre Villen  räumen. Bis zum Abzug der Allierten 1994 lebten dort KGB-Familien, völlig abgeschottet von der Außenwelt.


Anhand eines Modells erläutert Alexander Bandilla die Situation um das zwischen 1945 und 1994 gänzlich abgeschirmte Gelände des sowjetischen Geheimdienstes KGB an der Leistikowstraße nhe dem Schloss Cecilienhof.
 

Die Schicksale von Männern und Frauen, die im Gefängnis des KGB litten, sind anschaulich dargestellt.

In der Gedenkstätte – auch hier hatte der Verein eine Führung organisiert, die von Alexander Bandilla kompetent und engagiert durchgeführt wurde –  erschütterte uns, was Menschen in diesem Gebäude angetan worden ist. Tausende Häftlinge, russische und deutsche, wurden hier jahrelang  gefoltert, verhört, in andere  Gefängnisse, auch in sowjetische Gulags überführt. Die Sammlung an Originaldokumenten und Fotografien geben einen erschreckenden Einblick in die Schicksale. Fast alle Inhaftierten waren wegen unbedeutender Vergehen in das Gefängnis gekommen; z. B. war eine schwangere junge Frau verhaftet worden, weil sie  Brennmaterial, darunter einige Schriftstücke für ihren Ofen gesammelt hatte. Ihr Kind, das sie im Gefängnis zur Welt brachte, wurde ihr für fünf Jahre weggenommen. Einige aus unserer Gruppe waren besonders betroffen. Auch sie hatten  in den unmenschlichen Haftanstalten der ehemaligen DDR  schwer gelitten.


Einer der typischen Vernehmungsräume der Staatssicherheit.

Erst ab 1994, nach dem Abzug aller alliierten Truppen aus Deutschland wurde die grausame Geschichte der Leistikowstraße durch eine engagierte  Bürgerschaft, ehemalige Häftlinge und Historiker bekannt gemacht und  2008 die Gedenkstätte Leistikowstraße, eine Stiftung, eröffnet.

Gisela Meunier


Der Spitzbogen im Zellentrakt des Untersuchungsgefängnisses lässt noch die ursprüngliche Bestimmung des Gebäudes als kirchliche Einrichtung erkennen.

Eine enge Zelle im KGB-Untersuchungsgefängnis, wo die Häftling tagelang ohne Schlaf stehen mussten, bis sie die gewünschten „Geständnisse“ ablegten.