DAS ROTE TUCH e.V. besucht das KZ Sachsenhausen
Im Rahmen seiner Reihe „Besuche von Gedenkorten“ hatte der Verein DAS ROTE TUCH zur Führung in der Gedenkstätte und im Museum Sachsenhausen eingeladen. 25 Leute stiegen am 24. April um 9 Uhr in der Masurenallee in den vom Verein angemieteten Bus. Stadtführerin Minte erwartete uns eine Stunde später im ehemaligen KZ Sachsenhausen. Es war 1936 von Heinrich Himmler beauftragt und vom SS-Architekten Kuiper in Form eines Dreiecks entworfen worden.Als „Geometrie des totalen Terrors“ bezeichnet es heute der Leiter der Gedenkstätte, Professor Dr. Günter Morsch. Vom zentralen Turm A konnte das gesamte Gelände überwacht werden, auf dem viele tausend Menschen gefoltert, gemordet wurden – auch mehr als zehntausend sowjetische Kriegsgefangene.
Kupiers KZ-Bau empfanden die Nazis 1936 als vorbildlich. Sogar ausländische Gäste wurden damals eingeladen. Für die SS-Wachmannschaften, die „Totenkopfverbände“ hatte er zur Erholung einen Park eingerichtet!
Während wir zweieinhalb Stunden über das Gelände liefen, schilderte uns die Stadtführerin das unvorstellbare Leid, das ca. 200.000 Menschen erdulden mussten. In den KZ-Baracken waren die Menschen eingepfercht.Die Baracken der Juden und der sowjetischen Kriegsgefangenen waren total überbelegt. Die meisten Baracken sind allerdings nicht mehr vorhanden.
Vom zentralen Turm A schauten wir auf den Appellplatz. Stundenlange Zählappelle hatten dort stattgefunden, von der SS-Führung vom Fenster im Turm A aus beobachtet. Die Häftlinge waren vollkommen ihrer sadistischen Willkür ausgesetzt. Von dort wurden sie zu tödlichen Arbeitseinsätzen abgeführt, u.a. in den Klinkerwerken, die Baumaterial für Speers gigantomanische Bau-Ideen von Germania herstellten. Viele Häftlinge starben auch auf der “ Schuhprüfstrecke“. Entkräftete Häftlinge, schwerbepackt, mussten stundenlang Schuhe für die Wehrmacht ausprobieren. Erschüttert gelangten wir zur Station Z, der Vernichtungsstätte mit Erschießungsanlage, Gaskammer und Krematoriumsöfen. Dann zeigte Frau Minte uns den Zellenbau, in dem Hitlers Sonderflüchtlinge – Prominente wie Pfarrer Martin Niemöller und Georg Elser – inhaftiert waren.
Müde und deprimiert setzten wir uns nach dem anstrengenden Spaziergang zu einem Imbiss im Besucherzentrum zusammen und hatten danach Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem Leiter der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen, Professor Dr. Morsch. Wir erfuhren, dass ab 1945 die sowjetische Militärverwaltung das KZ Sachsenhausen als Speziallager weiter nutzte. Inhaftiert wurden dort Funktionäre des NS-Regimes, politisch Missliebige und willkürlich Verhaftete, aber auch von sowjetischen Militärtribunalen Verurteilte. Erst 1950 wurde es geschlossen. Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht hätten sich in Moskau dafür eingesetzt.
Zwischen 1950 und 1961 verwahrloste das Gelände. Der Bevölkerung dienten die Baracken als Bau- und Brennmaterial. Aber es gab auch Proteste: So wurde im April 1961 von der DDR endlich die Nationale Mahn- und Gedenkstätte Sachsenhausen eröffnet. Allerdings wurde in der DDR hier ein sehr einseitiges Geschichtsbild vermittelt.
Professor Dr. Morsch, seit 1993 Leiter der Gedenkstätte und des Museum Sachsenhausen erklärte uns das heutige Gedenkstättenkonzept, das in den 90iger Jahren entwickelt wurde. Er erinnert daran, mit wieviel Skepsis das Ausland dem wiedervereinigten Deutschland damals begegnete.Die Erinnerungen an die Schreckensherrschaft der Nazis waren sehr lebendig. Mit dem ehrlichen Umgang mit seiner Geschichte wollte Deutschland im Ausland Vertrauen schaffen. Die Gedenkstätten leisteten hierfür einen wesentlichen Beitrag und werden deshalb nun auch institutionell gefördert. Auf die Frage nach dem Verhalten der Oranienburger Bevölkerung in der Nazizeit berichtet Herr Dr. Morsch, dass es Mittäterschaft und Wegschauen, aber auch Hilfeleistungen gegeben habe.
Einer Teilnehmerin waren die vielen und vielsprachigen Jugendlichen aufgefallen. Dazu erklärte Herr Professor Dr. Morsch, das Interesse im Ausland sei groß, man bewundere die Arbeit deutscher Gedenkstätten. Besuche der Berliner und Brandenburger haben nachgelassen. Wir sollten für mehr Engagement bei Lehrern und Schülern werben.
Gisela Meunier