Erinnerungsorte in Brandenburg an der Havel Gedenkstättenfahrt mit dem Verein DAS ROTE TUCH e.V.

Unser Verein hat sich vorgenommen, neben der Unterstützung des antifaschistischen
Jugendmedienpreises DAS ROTE TUCH regelmäßig Diskussionen, Lesungen und
Fahrten zu Erinnerungsorten anzubieten.
2010 hatten wir die Gedenkstätte Hohenschönhausen besucht, 2012 ließen wir uns durch
die „Topographie des Terrors“ führen und am 25. Januar 2014 – kurz vor dem Gedenktag
für die Opfer Nationalsozialismus am 27. Januar – stand der Besuch der Gedenkstätte im
Zuchthaus Brandenburg-Görden und des Erinnerungsortes für die Opfer der
Euthanasiemorde in Brandenburg an der Havel auf dem Programm.

brandenburg rtevNach einer Stunde Fahrt im vom Verein gemieteten Bus – fast alle Angemeldeten waren
trotz eisiger Kälte gekommen – erwartete uns die Gedenkstättenleiterin Sylvia Pasquale
vor der im Bauhausstil 1927 errichteten Zuchthaus Brandenburg-Görden, Muster
ursprünglich konzipiert für einen humanen Strafvollzug.Sie berichtete uns, dass nach der
Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 das Zuchthaus sehr bald zu einer der
gefürchtetsten Haftanstalten wurde, in dem besonders die politischen und jüdischen
Häftlinge litten – darunter Erich Honecker, Ernst Busch und Robert Havemann. In der 1940
eingerichteten Hinrichtungsstätte – heute ein Gedenkraum, in dem eine Guillotine steht –
wurden über 2030 Männer meist nach einem Todesurteil durch den Volksgerichtshof
hingerichtet, unter ihnen der Arzt Georg Grosscurth und der Olympiasportler Werner
Seelenbinder.

1950 überließen die Sowjets der DDR die Einrichtung und wieder wurden neben
Kriminellen viele Regimegegner, Zeugen Jehovas, Homosexuelle, Ausreisewillige und
Bürgerrechtler eingekerkert.
Heute wird die Anlage weiterhin als Haftanstalt genutzt. Horst Mahler und Frank Schmökel
z. B. verbüßen dort langjährige Strafen.

Zweite Station unserer Gedenkstättenfahrt war die am 17. August 2012 eröffnete
Ausstellung im Alten Zuchthaus, die an die über 9.000 grausamen Euthanasiemorde der
„Aktion T4“ vom Januar bis Oktober 1940 erinnert. Die „Probevergasung“ von Kranken im
Beisein der gesamten Führungsmannschaft der Aktion T4 im Januar 1940 führte später
zum Massenmord der Nazis in den Gaskammern.

Mit Fotos und Dokumenten aus dem Besitz der Familien werden die Schicksale von
Opfern der Nazi-Gräuel nachgezeichnet. Die Beteiligung von Ärzten und Pflegekräften an
den Morden ist schockierend, ebenso die Briefe, mit denen die Angehörigen vorsätzlich
getäuscht wurden. Dass es auch Widerstand gegen die NS-Euthanasie in Berlin-
Brandenburg gab, zeigen die Fototafeln mit Pfarrer Braune, dem Amtsrichter Lothar
Kreyssig und dem Dompropst Bernhard Lichtenberg.

Die Betroffenheit über das, was wir gesehen und gehört hatten, löste sich erst nach einer
Weile bei Tee und warmen Speisen in dem kleinen Restaurant, in dem der
Vereinsvorstand einen Tisch reserviert hatte.

Danach spazierten wir mit einem sehr unterhaltsamen Stadtführer durch die schöne alte
Stadt Brandenburg an der Havel, deren dunkelstes Kapitel ihrer 1000jährigen Geschichte
uns heute so sehr erschüttert hatte.

Gisela Meunier